Reiki erleichtert das Sterben

Pilatus, A. Greter

Wie hilft Reiki den Sterbenden, ihren Angehörigen und dem Begleiter selbst? Eine Sterbebegleiterin erzählt über ihre vielfältigen Erfahrungen.


Eine der Aufgaben für auszubildende Meister besteht darin, einen Newsletter Artikel zu schreiben. Arno Greter wählte dazu etwas besonders wichtiges, ja vielleicht die wichtigste Reikianwendung überhaupt. In der Sterbebegleitung. Danke Arno!


Wie kam es zu diesem Gespräch?

Als mein Vater vor 4 Jahren starb, hatte er mir ein letztes Mal auf eine ganz eindrückliche Weise, den Weg gewiesen. Ich traf kurz nach seinem Tod an seinem Krankenbett ein. Er durfte friedlich einschlafen. Der Körper war noch warm und ein sanftes Lächeln lag auf seinem entspannten Gesicht. Ich nahm seine Hand und dachte ergriffen und erleichtert: „Jetzt hast du es geschafft, lieber Vater.“ Sein Gesicht schien zu antworten: „Es geht mir gut, mein Sohn“. Für einen Moment war seine lange Leidenszeit vergessen. Sein schwaches Herz hatte einfach aufgehört zu schlagen. Er konnte endlich sein Leben und seine Lieben zurücklassen. Seit diesem Tag ist mir klar, dass der Tod auch mein Schicksal ist. Früher oder später wird es uns alle ereilen. Und die Erinnerung an das sanfte, letzte Lächeln meines Vaters nährt täglich meine Hoffnung, dass mein eigenes Sterben einmal ein positives Erlebnis sein wird. Die Vorbereitung und Auseinandersetzung damit kann nicht früh genug beginnen.

Mit dieser Motivation habe ich das Gespräch mit einer erfahrenen Sterbebegleiterin gesucht. Als angehender Reiki Lehrer wollte ich wissen, wie Reiki im Sterbeprozess helfen kann. Im sehr offenen Gespräch teilte Priska Kunz, die Krankenpflegerin und Sterbebegleiterin, sehr persönliche und bewegende Erfahrungen und Geschichten. Priska ist eine sehr erfahrene Reiki-Praktizierende seit 1993. Zwischenzeitlich ist sie auch auf den Meistergrad eingeweiht.

Das Gespräch schenkte mir einen wunderbaren Strauss an neuen Ideen und Anregungen, die in der letzten Lebensphase hilfreich sein können. Reiki hilft sowohl dem Sterbenden als auch dem Sterbebegleiter und dem ganzen Umfeld auf vielfältige Art und Weise. Das Gespräch führten wir am 23. April 2019.

Arno: Liebe Priska, wie bist du zur Sterbebegleitung gekommen?

Priska: Durch meinen Beruf als Krankenpflegerin bin ich schon in jungen Jahren regelmässig mit Menschen in Kontakt gekommen, die im Sterben lagen. Damals sah ich vieles, das ich als falsch empfand. Zum Beispiel wurden Sterbende in ihren letzten Stunden aus dem Krankenzimmer gebracht. Man wollte sie den anderen Patienten im Zimmer nicht zumuten. So verbrachten diese Menschen ihre letzten Stunden ganz alleine im Badezimmer. Das bewegte und beschäftigte mich stark. Ich empfand es als falsch. Es kann doch nicht sein, dass man so unwürdig sterben muss.

…es ist wichtig, dass man würdevoll sterben kann. 

Es ist mir wichtig, dass jemand würdevoll sterben kann. Als Pflegerin wurde es mir zunehmend wichtig meine Patienten, die ich teilweise über Jahre intensiv pflegte, auch im Sterben zu begleiten. So bin ich immer mehr in die Sterbebegleitung hineingekommen. Bevor ich zu Reiki kam, habe ich ganz schlimme Erfahrungen im Sterbeprozess gemacht. Ich habe Todeskämpfe erlebt, die mir selber Angst gemacht haben. Ich konnte nicht richtig mit dem Sterben umgehen. Mit Reiki ging es dann sofort viel einfacher. Besonders anfänglich war ich in der Anwendung vorsichtig. Ich habe meine Hände dem Patienten auf den Bauch gelegt und war nicht sicher ob ich sie auch aufs Herz legen durfte. Die Patienten halfen mir intuitiv. Sie nahmen einfach meine Hände und legten sie dorthin, wo sie Reiki am stärksten benötigten. Das war sehr oft auf dem Herzen. Sobald Reiki fliesst, entspannen sich die Patienten in der Regel und die ganze Atmosphäre beruhigt sich. 

Arno: Stellen sich die Sterbenden in deiner Erfahrung die Frage was nach dem Tod ist?

Priska: Das war ganz verschieden. Es gab solche, die sagten, danach ist nichts mehr, danach ist Schluss. Diesen Menschen fiel das Sterben in der Regel einfacher. Am schwierigsten war es für jene, die das Bild eines strafenden Gottes hatten. Sie hatten Angst vor Gott zu treten. Das war früher sehr oft der Fall. Heute ist natürlich das Bild einer positiven, göttlichen Kraft viel verbreiteter. Jeder hat seine eigenen Vorstellungen. Es gibt weder richtig noch falsch. Ich glaube, man stirbt so wie man gelebt hat. Trotzdem tut es mir Leid Sterbende zu erleben, die wegen einem strafenden Gott leiden. Diese  Ängste  versuchte ich mit Reiki zu mildern und erträglicher zu machen.

Arno: Wie muss ich mir einen natürlichen Sterbeprozess vorstellen? 

Priska: Ich glaube die Menschen sterben dann, wenn sie mit sich selbst versöhnt sind. Der Sterbeprozess hat verschiedene Phasen und kann sehr kurz oder ganz lange dauern. Er kann sich über Jahre erstrecken, obwohl der Wunsch zum Sterben schon lange da ist. Es geht mir darum den Leuten zu helfen loszulassen und ihre Angst zu lindern, wenn sie da ist. Der Sterbende kommt oft kurz vor dem Tod in eine wunderbare Abgeklärtheit. Es schien mir, die Person war schon weiter. Es kommt plötzlich ein Hoch. Dann geht es abwärts und es ist beendet. Diese Wechsel können sehr schnell kommen.

Arno: Wie setzt du Reiki im Sterbeprozess konkret ein? 

Priska: Ich hatte meinen Patienten mehrmals täglich Reiki auf verschiedenen Körperpositionen gegeben. Gewisse Patienten sagten, wo sie es wollten. Bei anderen konnte man es vom Gesichtsausdruck ablesen. Die Wirkung von Reiki ist sofort spürbar. Die Gesichtszüge der Patienten entspannten sich merklich. Das ist eine sofortige Rückmeldung, wie gut Reiki tut und wie sehr es gebraucht wird.

Arno: Was genau bewirkt Reiki im Sterbeprozess?

Priska:  Reiki hilft immer und in ganz vielfältiger Art und Weise. Eine besonders eindrückliche und bewegende Geschichte möchte ich kurz erzählen. Eine meiner Patientinnen wurde immer schwächer und ihr Tod zeichnete sich langsam ab. Ich begann sie mit Reiki zu behandeln. Mit der Zeit entwickelte sich ein Ritual zwischen uns. Immer wenn ich an ihr Bett kam, nahm sie sofort meine Hand. Ihr Sohn sah das eines Tages und fragte spontan, wie ich das geschafft hätte. Seine Mutter sei immer eine unnahbare Frau gewesen, die sich von ihren Kindern nie anfassen liess. Sie hatte uns Kinder nie in die Arme genommen und jetzt vor dem Sterben wünscht sie Körperberührung sogar explizit. Der Sohn war sehr dankbar. Das war für mich ein weiterer Beweis, welch wunderbare Dinge Reiki bewirkt.
Ich konnte den Sterbenden auch helfen, in dem ich einfach für eine ruhige Atmosphäre sorgte. Einmal erlebte ich die Situation, dass zwei Töchter zu ihrer sterbenden Mutter eilten und im Krankenzimmer miteinander stritten. Als ich ins Zimmer kam, spürte ich sofort eine ganz schlechte Energie. Ich habe beide Töchter rausgenommen und sie darauf aufmerksam gemacht, dass der Streit negative Energien hervorrufe und ihre Mutter darunter sehr leide. Sie begannen zu weinen, weil sie das nicht wollten. Sie beruhigten sich und so konnte die Mutter ganz friedlich sterben. Auch half Reiki mir, die Situation intuitiv richtig zu erfassen und danach im besten Interesse des Patienten zu handeln.

… auch für die Angehörigen.

Arno: Reiki hilft also nicht nur dem Sterbenden, sondern auch seinen Angehörigen?

Priska: Ja, das ist so. In der Sterbebegleitung geht es sehr oft auch um die Angehörigen. Einmal begleitete ich eine demente Dame in ihrer letzten Lebensphase. Ihr Sohn hatte sie nie besucht. Er sagte, er halte es mit ihr nicht mehr aus. Als sie dann im Sterben lag kam er doch noch vorbei. Er lief die ganze Zeit unruhig und nervös im Krankenzimmer herum. Im Moment ihres Todes sah ich sie gehen. Intuitiv nahm ich die Hand des Sohnes und legte sie auf ihre. Ich spürte, wie wichtig es für ihn war.  Er zeigte danach grosse Dankbarkeit.

Arno: Wurde die Anwendung von Reiki im Pflegeheim akzeptiert?

Priska: Alle im Pflegeheim wussten, dass ich Reiki einsetze. Ich war so begeistert von Reiki und seiner Wirkung. Ich konnte es nicht für mich behalten. Ich habe das ganz transparent gehandhabt. Es wurde von allen akzeptiert, aber einige hatten Vorbehalte oder waren einfach skeptisch, insbesondere der behandelnde Arzt. Er wollte eigentlich nichts davon wissen. Trotzdem passierte es immer wieder, dass Medikamente bei Patienten nicht wie gewünscht wirkten. Dann kam er und sagte: „ Schwester Priska, machen sie es auf ihre Art. Sie wissen schon was ich meine, nicht?“

Arno: Wie hilft Reiki dir selbst als Sterbebegleiterin?

Priska: Reiki hat mir insbesondere mit der Entwicklung meiner eigenen Intuition geholfen. Ich spüre heute viel besser, was jetzt im Moment gerade richtig und wichtig ist. Mein Mut und die Kraft diese intuitiven Gedanken umzusetzen sind grösser geworden,. Dazu möchte ich eine weitere Geschichte erzählen. Ich pflegte eine hochbetagte Patientin die kurz vor ihrem 100. Geburtstag stand. Ich spürte sie wollte diesen Geburtstag nicht mit allen Verwandten und Angehörigen feiern. Ich habe gemerkt, sie möchte eine schlichte Feier ohne das ganze „Brimborium“. So habe ich die Initiative ergriffen und eine Feier organisiert, von der ich glaubte, sie würde ihren Bedürfnissen besser entsprechen. Ich  habe alle anderen Patienten zusammengenommen und wir gingen gemeinsam ins Zimmer der Jubilarin. Im Chor sangen wir ihr „Happy Birthday“ und schenkten ihr einen Blumenstrauss.  Die Patientin sagte danach, dies wäre ihr schönster Geburtstag gewesen. Ein Tag später starb sie. Ich bin überzeugt, dass Reiki meine eigene Intuition stärkt und mir den Mut gibt sie umzusetzen. Ich hatte gespürt, was diese Jubilarin brauchte. Es entstand zwischen uns eine tiefe Verbindung. Als sie starb, sah ich sie gehen. Ich war so dankbar. Es war mein bestes Sterbeerlebnis. Niemand kann es mir nehmen. Es ist keine Illusion.

Arno: Wie hast du dich als Sterbebegleiterin über die Jahre weiterentwickelt?

Priska: Ich habe gemerkt, ich kann Sterbende erst richtig begleiten, wenn ich mich selber mit dem eigenen Sterben auseinandersetze. Das wäre auch mein Ratschlag an alle, die mit Sterbebegleitung beginnen möchten. Diese Auseinandersetzung ist ein jahrelanger Prozess. Reiki half mir dabei sehr. Manches hatte sich schnell verbessert. Anderes dauerte länger. Es geht um die Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod.  Ich bin noch immer am Lernen. Sehr hilfreich war „Das tibetische Buch vom Leben und vom Sterben“ von Sogyal Rinpoche. Es wurde für mich zu einer Art Bibel und ich schätze es als sehr nützliches Nachschlagewerk.

Arno: Hört die Sterbebegleitung mit dem Tod auf?

Priska: Die Begleitung geht über den Tod hinaus. Es ist mir immer  wichtig, dass die Verstorbenen nicht so schnell in den Keller gebracht werden. So können Angehörige besser Abschied nehmen. Einmal wollte die Tochter einer verstorbenen Patientin, dass ihre Mutter oben im Zimmer eingesargt wurde. Ich konnte schliesslich die Bestatter davon überzeugen. Die Angehörigen durften beim Einsargen dabei sein. Es ist mir wichtig, dass auf die Bedürfnisse der Angehörigen eingegangen wird. Ausserdem ist aus meiner Sicht der Tod nicht das Ende. Und so kann Reiki auch nach dem physischen Tod noch helfen. Besonders wenn der Tod abrupt durch Unfall oder Suizid eintrifft, wird empfohlen Reiki zu schicken um den Start ins neue Leben zu erleichtern.

…über den Tod hinaus.

Arno: Was ist dir sonst noch wichtig im Zusammenhang mit Sterbebegleitung?

Priska: Ganz wichtig scheint mir, dass du nie etwas macht, was du selbst nicht willst, oder nicht passt. Auch dann nicht, wenn du meinst es machen zu müssen, aber irgendwie nicht passen. Und natürlich nie etwas machen, was dem Sterbenden nicht gut tut. Deine Empathie ist in diesem Zusammenhang besonders wichtig. Versuche immer möglichst nah beim Sterbenden zu sein und dich in die Person reinzufüllen. Versuche sozusagen in seine oder ihre Schuhe zu schlüpfen. Wenn du das machst, spürst du, was er oder sie braucht.

Arno: Was wäre für dich selber ein schönes Sterben?

Priska: Das schönste wäre ich bekäme in den letzten Stunden meines Lebens Reiki. Das wäre einfach wunderbar! Aber der Zeitpunkt ist noch nicht gekommen. Ich finde es auch wichtig schon heute eine Vorstellung zu haben, was nach dem Tod ist und damit auch eine bessere Vorstellung von der Wichtigkeit des Lebens zu bekommen. Kürzlich ging es mir gesundheitlich gar nicht gut. Ich habe für mich entschieden, lieber zu sterben als operiert zu werden. Ich überlebte auch ohne OP. Jetzt bin ich vor allem dankbar. Alles was ich jetzt noch erleben darf ist Zugabe. Ich habe nichts mehr im Leben, das ich unbedingt erleben muss. Es ist wirklich schön meine Enkel zu begleiten und aufwachsen zu sehen. Aber mich braucht es nicht mehr unbedingt. Ich bin dankbar für jeden Tag. Und wenn es dann soweit ist, bin ich bereit ins nächste Leben zu gehen.

Arno: Herzlichen Dank für das Gespräch!


Danke Arno!

Dieser Artikel wurde von Arno Greter als Gastautor verfasst.

Durch eine Lebenskrise fand Arno zu Reiki. Er ist hauptberuflich Projekt- und Teamleiter bei einem global tätigen Finanzdienstleister. Seine beruflichen  Schwerpunkte sind  Organisationsentwicklung, Veränderungsmanagement und Agile Leadership. Nach Abschluss seiner Reiki Lehrer Ausbildung wird Arno ab Frühjahr 2020 eigene Reiki Seminare geben. Interessiert? Bitte gerne  direkt bei arnogreter@bluewin.ch melden.

PS mit unserer Suchfuktion (unten bei der Navigation) finden Sie weitere Beiträge und Fallstudien, wie  z.B.: die Sterbebegleitung aus ärztlicher Sicht.

 

4 KommetareLeave a comment

  • Lieber Arno,
    was für ein hervorragender und wichtiger Artikel – ein großes Dankeschön für das Führen des Interviews!
    Auch Dir, liebe Priska, herzlichen Dank für Deine Bereitschaft, uns an Deiner langjährigen Erfahrung teilhaben zu lassen!
    Der Tod gehört zum Leben dazu. Es ist so wunderbar, wie Reiki hier unterstützen kann – den Sterbenden wie auch die Angehörigen.
    Jedem, der selbst Reiki in den Händen hat, nimmt Reiki die Hilflosigkeit, die einen vielleicht ereilen mag, wenn man seine Liebsten bei diesem Übergang zur Seite stehen möchte – und es spendet durch die tägliche Selbstbehandlung immer wieder die nötige Energie für diese herausfordernde Zeit.
    Den Sterbenden selbst unterstützt Reiki auf wundersame Weise darin, inneren Frieden zu finden und loslassen zu können.
    Auch ich wünsche mir, einmal in Frieden mit mir selbst und begleitet durch Reiki diese Reise antreten zu dürfen.
    Namasté!

  • Ein absolut super, sehr vielsagender Text. Die einzelnen, eindrücklichen Erlebnisse von Priska sind sehr spannend und bewegend. Sie widerspiegeln wie vielseitig Reiki anwendbar und wie viele Nutzen daraus entstehen kann.
    Vielen Dank Arno und Priska für diesen beeindruckenden Artikel.

  • mein Mann war Mitglied in einer Gruppe die „Schwerkranke und Sterbende“ begleitet und zwar zuhause oder in einer Institution. Dabei hat er erfahren, wie Reiki wirkte ohne dass die Menschen eine Erklärung brauchten. Er hat Ihnen, mit oder ohne Berührung, einfach Reiki gegeben. Oftmals konnte er erfahren wie Menschen plötzlich ruhig wurden und sogar einschliefen. Menschen die als sehr unruhig galten und in früheren Nächten das Personal auf Trab hielten. Auch mein Mann erfuhr dank Reiki, dass er die ganze Nacht durchhalten konnte.
    Er hat diesen Dienst sehr gerne gemacht.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert