Mein Freund ist ein ‘Kreativer‘. Künstler halt.

Schon vierzig Jahre auf der Bühne. Als Animator, Komiker und Zauberer. Covid-19-Massnahmen haben dem Treiben ein vorläufiges Ende gesetzt. Und dann kommt das erste Corona-Verneinungs-Email aus der Blase der Kulturschaffenden.

Mein Freund erzählte mir von diesem Mail während unseres Meinungsaustausches zu Corona und Fragen wie: Impfen, ja oder nein? Lock-down übertrieben oder nicht?

Dies währendem auf den Strassen und in den Medien eine Atmosphäre herrscht, in der Verschwörungstheoretiker Andersdenkende als ‚massenhypnotisiert‘ bezeichnen und – umgekehrt – Skeptiker reflexartig mit Neonazis gleichgesetzt werden.

Mein Freund ist in diesen Fragen eher konservativ, ist für strenge Massnahmen. Er trägt Maske, er steht überhasteten Lock-down Lockerungen kritisch gegenüber.

Er erhielt das Mail von einem Berufskollegen, mit dem er jahrzehntelang gearbeitet hat, den er als Mensch und Profi schätzt. Das Mail verweist auf ein Video mit Statistiken zur Übersterblichkeit, die keine sei. Das nächste Mail erklärt die Unterwürfigkeit der Wissenschaft und die Übermacht von Big Pharma.

… durch dick
     und dünn 

Bald sind es tägliche Emails mit Videolinks, die mein Freund sich ansehen soll. Allesamt Corona verneinend und zunehmend polarisierend. Der Absender reklamiert, dass es Leute gebe, die nicht nur seine Kritik nicht ernst nähmen, sondern in automatisch in eine tumbe, ultrarechte, rassistische Ecke stellten. Das seien doch alles „linke Komis“ und obrigkeitshörige Drückeberger.

Die Loyalität meines Freundes dem Emailschreiber gegenüber gebot es ihm, die Videos anzuschauen, die Statistiken zu überdenken. Nach drei Wochen bat er den Emailschreiber höflich, ihn doch von der Verteilerliste der Corona Emails zu nehmen.

von meinem Freund für diesen Artikel

Prompt erhielt er eine sengende Kritik, gespickt mit Vorwürfen und mit dem Schlusswort, dass es unverzeihbar sei, dass man aus selbstauferlegter Blindheit eine lange Freundschaft beenden könne. Mein Freund schrieb zurück:

„Mein mir lieber und wichtiger Freund, ich schätze und ehre Dich für Deine Kreativität, Deine langjährige Zuverlässigkeit und Hilfsbereitschaft. Ich bin dankbar für unsere gemeinsame Zeit und wie wir uns durch dick und dünn beiseite gestanden sind.

Nie und nimmer würde ich Dir meine Freundschaft kündigen. Ich habe Dich lediglich gebeten, mich von einer Adressenliste zu nehmen.“

Ich danke meinem Freund für seine Weisheit, Brücken nicht abzubrechen, sondern zu bauen. Ich danke für seine Grosszügigkeit, unterschiedliche Meinungen auszuhalten und das Gespräch aufrecht zu halten.

Für mich ist das Verhalten meines Freundes gelebte Spiritualität und aktive zwischenmenschliche Verantwortung. Dass Reiki und andere Praktiken eine Rolle zur Kultivierung dessen spielen, liegt auf der Hand und soll nicht von der Grösse seines Tuns ablenken, denn letztlich sind die Praktiken ‚nur‘ Mittel zum Zweck.  In diesem Sinne passt das Foto, das mein Freund mir soeben für dienen Artikel geschickt hat.

PS Das Ende der Geschichte ist, dass mein Freund wieder Emails mit Videolinks erhält. Über künstlerische Ideen und neue Kulturprojekte. 

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert