Ich bin ein überzeugter Pazifist. Leicht gesagt, aber was ist, wenn mein Leben, das Leben meiner Familie bedroht ist? Ein Versuch, diese Frage zu beantworten, könnte schnell in hochtrabende Predigten münden. Die aktuelle Situation in Osteuropa verdient genau das Gegenteil.
In vielen Kreisen gibt es Initiativen, die sich für den Frieden einsetzen. Beeindruckend ist, dass ihre Liebe und ihre Gebete gleichermassen den Menschen in Russland und den Menschen in der Ukraine gelten und die Führer ihrer Länder miteinschliessen. Das ist richtig so. Ein Freund von mir hat zum Beispiel das Foto von zwei Liebenden, die in die Flaggen ihrer Länder gehüllt sind, auf Facebook gepostet.
Während ich mit diesen vielen Initiativen sympathisiere, bemerkte ich in mir eine Unlust, mich ihnen anzuschliessen – was mich beunruhigte. „Normalerweise“ (?!?) würde auch ich Menschen mobilisieren, um Reiki zur Entfaltung der aktuellen Situation zum höchsten Gut aller zu schicken. Aber nicht diesmal. Warum eigentlich?
Der Anblick des Paares auf dem Bild kann unsere Herzen öffnen, es kann Mitgefühl auslösen. Es kann sogar einen Aufruf zum Handeln bewirken. Und das zu Recht. Aber unser Blick kann nur allzu leicht nach aussen gerichtet sein, auf sie zu schauen – ähnlich wie der fotografierende Mann hinten auf dem Foto. Sie müssen Frieden machen, sie sollen aufhören, sich zu bekriegen. Ja, das mag der dringlichste Schritt sein. Auf jeden Fall! Und als solches unterstütze ich alle Bemühungen in diese Richtung.
Aber was ist mit uns, können wir nicht mehr tun? Sollten wir uns nicht alle in die Fahne unserer Nationen hüllen wie die beiden Liebenden und unsere Stirnen aneinander legen, unsere Herzen einander berühren lassen? Nicht im Hintergrund stehen, sondern mitmachen. Bei allem, was wir tun. Egal wo, egal wann.
Versöhnung ist ein grosses Thema für mich und alle Projekte auf der Webseite reiki-conciliation ist ihm gewidmet. Im Versöhnungsprozess ist der Waffenstillstand ein Zwischenschritt. Ja! Aber Waffenstillstand ist nicht Frieden. Versöhnung ist ein allumfassender Prozess. Deshalb schlage ich vor, den Blick zu weiten und auch uns selbst einzubeziehen mit der Frage: Was haben wir dazu beigetragen, dass die Situation so ist, wie sie ist, was ist mein Anteil daran? Die Erkundung der Antworten wird zur Heilung des Ganzen beitragen.
René Vögtli
Der kenianische Gesandte bei der UNO, Martin Kimani, bringt den Einspruch seines Landes gegen die russische Invasion zum Ausdruck und zeigt den globalen Zusammenhang.
22. Februar 2022
Hier das 3:44 Minuten Video (engl.)
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj spricht nicht als Präsident, sondern als Bürger und wendet sich an das russische Volk. Aber für mich wendet er sich an alle Völker und an alle Menschen in der ganzen Welt.
24. Februar 2022
Hier das 9:04 Minuten Video (engl.)
Der Dalai Lama: „Unsere Welt ist so sehr voneinander abhängig geworden, dass ein gewaltsamer Konflikt zwischen zwei Ländern unweigerlich Auswirkungen auf den Rest der Welt hat. Krieg ist nicht mehr zeitgemäss – Gewaltlosigkeit ist der einzige Weg. Wir müssen ein Gefühl für die Einheit der Menschheit entwickeln, indem wir andere Menschen als Brüder und Schwestern betrachten. Probleme und Meinungsverschiedenheiten lassen sich am besten im Dialog lösen. Echter Frieden entsteht durch gegenseitiges Verständnis und Respekt für das Wohlergehen des anderen. Das 20. Jahrhundert war ein Jahrhundert des Krieges und des Blutvergiessens. Das 21. Jahrhundert muss ein Jahrhundert des Dialogs sein.“
28. Februar 2022 – Hier das Statement dalailama.com (engl.)
Lieber René,
auf deine Frage hin: Aber was ist mit uns, können wir nicht mehr tun?
Meine Lebenserfahrungen in den letzten Jahren sind ganz schön gewachsen. Wir alle wünschen uns Frieden und Liebe auf der Welt, dass wir sie leben können. Wir schauen auf die Regierung, auf andere Menschen, in unserem Umfeld, Familien, Nachbarn und Freunden. Zuerst sollten wir bei uns selbst schauen. Was bewegt mich dazu, meinen inneren Frieden und Liebe leben zu wollen und warum lebe ich es nicht?
Viele von der Menschheit, so auch ich, sind ohne Liebe aufgewachsen. Anders gesagt, wir denken, vom Kopf her, wir lieben unsere Familie, Kinder, Partner etc., aber das tun sie vom Kopf her. Weil wir so erzogen worden sind. Und was uns in der Kindheit beigebracht worden ist, leben wir. 2014 habe ich mich gefragt, warum mein Leben drunter und drüber ist? Die Antwort: ich bin ohne Liebe aufgewachsen. Trug keinen Frieden in mir. Das habe ich Stück für Stück verändert. Ich möchte damit sagen: Es nutzt nicht auf andere zu schauen. Wir können Menschen nicht verändern. Wir können uns selbst nur verändern. Die Wut, Groll, Hass und was alles in uns steckt, auflösen und in Liebe verwandeln. Jeder nur für sich. Damit eines Tages auf der Welt der Frieden in Liebe gelebt werden kann. Wahre Liebe, fließt vom Herzen, nicht vom Kopf.
Mir begegnen in meinem Alltag auch immer mehr Mitmenschen, die sich Frieden und Liebe wünschen und genau das gebe ich ihnen als Antwort: Lebe deinen inneren Frieden und Liebe, damit es im Außen entstehen kann. Ich kann da nicht mehr weggucken und meinen Mund halten.
Herzens grüße Christine.